Der US-Regisseur Sean Baker beschäftigt sich in seinen Filmen mit der unteren sozialen Schicht der USA, oft mit Sexarbeiterinnen. So auch in «Anora», dem Gewinner der diesjährigen Filmfestspiele Cannes, der jetzt ins Kino kommt.
Dem 53-Jährigen ist mit seinem neuen Film eine temporeiche Tragikomödie gelungen. Das Publikum und die Jury waren von der ungewöhnlichen Mischung aus Gangster-Film, Slapstick, Cinderella-Geschichte und der authentischen Darstellung eines Milieus begeistert.
«Anora» handelt von der Striptease-Tänzerin und Sexarbeiterin Ani, die in New York einen russischen Oligarchen-Sohn namens Vanya (Mark Eydelshteyn) kennenlernt. Die beiden verlieben sich. In jugendlicher Sorglosigkeit heiratet der Junge Ani nach nur wenigen Tagen – zum großen Missfallen seiner Eltern, die alles in Bewegung setzen, um das wieder rückgängig zu machen. Im Zentrum steht Ani (Mikey Madison), die selbstbewusst ihre Ziele verfolgt.
Nachdem die Nachricht von der Hochzeit bis zu den in Russland lebenden Eltern von Vanya durchgedrungen ist, beauftragen diese ihre örtlichen Helfer, die Heirat zu annullieren. Ein hilfloses Trio aus drei Männern taucht in Vanyas Anwesen auf – und dieser türmt. Beim Versuch, ihn gemeinsam mit Ani wieder einzufangen, kommt es zu allerlei lustigen Situationen.
Ani ist deutlich kampflustiger, als die drei kleinkriminellen Gangster angenommen hatten. Baker erzählte in Cannes, dass er die Rolle auf Madison zugeschrieben habe. Sie spielt die Protagonistin mit vielen Facetten – angriffslustig, charmant, naiv und verletzlich zugleich.
Liebe, Macht und Klassenunterschiede sind die Themen dieses Films. «Was Anora angeht – sie ist sich ihrer Macht bewusst», sagte Baker in Cannes. «Sie hat die Kontrolle, auch wenn die Welt um sie herum auf sie einprasselt.» Auf der Suche nach dem im Gegensatz zu ihr völlig unreifen Vanya entwickelt sich «Anora» irgendwann zu einer Art Road Movie durch New York.
Am Ende nimmt der Film eine unerwartete Wendung, die seine Figuren noch einmal in ein anderes Licht taucht. Dieser originelle Plot gehörte neben einem herausragenden Ensemble zu den Elementen, die die Jury an «Anora» am meisten begeisterte.
«Es war etwas, von dem wir uns alle angesprochen fühlten und das uns bewegte», sagte Jury-Präsidentin Greta Gerwig. «Es fühlte sich sowohl neu an als auch im Gespräch mit älteren Formen des Kinos (…). Und dann geschah etwas völlig Wahrhaftiges und Unerwartetes.»
Quelle: dpa