Kaum ein anderer Ort in Australien hat für die indigene Bevölkerung eine so tiefe spirituelle Bedeutung wie der Uluru. Majestätisch thront der Berg 350 Meter hoch über der rotbraunen, von Spinifex und anderen Wüstenpflanzen durchzogenen Ebene. Seit der Kolonialzeit unter dem Namen Ayers Rock bekannt, wird mittlerweile zur Freude der Ureinwohner wieder weltweit sein richtiger Name verwendet. Es sollte nicht der einzige Erfolg der Aborigines im Kampf um die Rechte an ihrem Heiligtum bleiben.
Lange Jahre hatte das lokale Anangu-Volk gefordert, touristische Klettertouren auf den Uluru zu unterbinden – vor fünf Jahren trat das Verbot nach langem Ringen in Kraft. Denn hier wohnt die Regenbogenschlange aus der Traumzeit-Mythologie, hier spielt die wichtige Geschichte der Hasenkänguru-Menschen «Mala», die einst harmonisch auf der Sonnenseite des Berges lebten und dann aus dem Paradies vertrieben wurden.
Dass abenteuerlustige Touristen immer wieder achtlos auf ihrem Allerheiligsten herumtrampelten, war für die Anangu fast unerträglich. Aber damit nicht genug: Trotz aller Schilder und Broschüren ließen Kletterer haufenweise ihren Abfall liegen. Mangels Toiletten verrichteten manche auf dem Unesco-Welterbe auch ihre Notdurft. «Wenn es dann mal regnet, fließen Urin und Fäkalien den Felsen hinunter in sehr fragile Wasserlöcher, aus denen Tiere trinken», warnte damals Joe Martin-Jard vom Central Land Council.
Heute ist der Zugang zur früheren Kletterroute abgesperrt. Auf einem weißen Schild ist zu lesen: «Permanent Closure 26 October 2019». Überwachungskameras sorgen für eine Einhaltung des Verbots, Warnschilder weisen darauf hin, dass jedes Zuwiderhandeln bestraft wird.
Das Stahlseil, an dem man sich früher nach oben hangeln konnte, ist längst abmontiert, ebenso wie die 138 stählernen Pfosten, die bis zu 30 Zentimeter tief in den roten Stein gerammt wurden. Aber die frühere Route hat sich dennoch wie eine Narbe in das Arkose-Gestein eingegraben. Eine Erinnerung auch daran, wie gefährlich der Aufstieg war.
Denn der Fels ist nicht nur steil, sondern auch extrem glatt. «37 Menschen sind seit den 1950er Jahren am Uluru gestorben, der letzte – ein japanischer Tourist – nur ein gutes Jahr vor der Schließung», erzählt Reiseleiter Matt, der Touren rund um den Berg leitet.
Um ihn herumzuspazieren, seine Wasserlöcher und Höhlen zu bestaunen oder die Wege rundherum mit einem Segway zu erkunden, das ist erlaubt – solange der Uluru mit Respekt behandelt wird. Zudem werden Helikopter-Flüge zu dem imposanten Monolithen angeboten.
Direkt über ihn hinwegzufliegen ist jedoch nicht erlaubt, wie ein Veranstalter erläutert: «Wir stellen sicher, dass wir alle Protokolle einhalten, um zu gewährleisten, dass wir den ursprünglichen Hütern des Landes sowie dem Land selbst unseren Respekt erweisen», heißt es auf der Website von «Professional Helicopter Services».
Auch gibt es mittlerweile neue Attraktionen, wie magische Laser- und Drohnenshows, die Geschichten aus der Traumzeit in den Himmel und auf die rote Erde malen und von einer naheliegenden Plattform aus bestaunt werden können. In den Köpfen scheint sich etwas getan zu haben – wer sich bei Touristen umhört, erntet heute fast nur noch Verständnis für das Kletterverbot.
Dabei war dieses lange umstritten. Manche hielten die Besteigung für so etwas wie ein Grundrecht für alle Bewohner des fünften Kontinents. Vor allem ging es ihnen um den grandiosen Ausblick über das scheinbar unendliche Outback.
Aber viele andere fanden es auch richtig, endlich den Bitten der Aborigines nachzukommen. Die Zahl der indigenen Australier wird Regierungsangaben zufolge heute auf etwa 980.000 geschätzt, die im Vergleich zu den restlichen 26 Millionen Australiern vielfach benachteiligt werden.
Mit dem Kletterverbot ging auch ein dunkles Kapitel Kolonialgeschichte zu Ende. Aufzeichnungen zufolge wurde der Berg erstmals 1873 von einem Weißen bestiegen. Dieser benannte ihn nach Sir Henry Ayers, einem ehemaligen Premierminister von South Australia.
In der Anfangszeit des Uluru-Tourismus, in den 1950er-Jahren, kamen gerade einmal ein paar Hundert Kletterer, am Ende waren es mehr als 300.000 jährlich. An manchen Tagen kämpfte sich eine endlose Schlange von Menschen nach oben, dicht an dicht, wie eine riesige Ameisenstraße.
Über die Schließung berichteten vor fünf Jahren Medien aus aller Welt. «Dies ist ein sehr heiliger Ort, für uns ist er wie unsere Kirche», sagte Rameth Thomas von den Anangu damals der britischen BBC. Von seinem Zuhause aus konnte er den Uluru jeden Tag sehen. Schon als kleiner Junge habe er Touristen aufgefordert, nicht auf den Berg zu klettern.
«Alle unsere Geschichten sind auf diesem Felsen», betonte er. Heute werden sie dort gut beschützt. Und die Regenbogenschlange hat endlich wieder Frieden gefunden.
Quelle: dpa