Nuri Sahin wollte seinen Kapitän nicht zum alleinigen Sündenbock für den anhaltenden Auswärtsalptraum von Borussia Dortmund machen. Kritische Worte bekam Rot-Sünder Emre Can von seinem sichtlich angefressenen Trainer nach dem 1:3 (1:2) beim FSV Mainz 05 aber sehr wohl zu hören. «Da darf er nie so hingehen. Das weiß er auch», kommentierte Sahin den frühen Platzverweis des Nationalspielers. «Das war ein Gamechanger.»
Mit der völlig unnötigen Roten Karte in der 27. Minute erwies Can seinem sportlich angeschlagenen Team einen Bärendienst. In Unterzahl blieb der Champions-League-Teilnehmer auch im fünften Saison-Auswärtsspiel in der Fußball-Bundesliga sieglos und fiel vor der Länderspielpause mit 16 Punkten aus den internationalen Tabellenrängen heraus.
Das verstärkt den Druck auf Sahin, der im Sommer mit großen Erwartungen die Nachfolge von Erdin Terzic angetreten hatte. Von der anfänglichen Euphorie ist beim BVB in diesen tristen November-Tagen nicht viel übrig geblieben. «Wir wissen, dass es natürlich Kritik gibt, und wir sind auch nicht damit zufrieden, dass wir bereits vier Niederlagen eingesteckt haben», sagte Sportdirektor Sebastian Kehl zur ebenso unbefriedigenden wie unzureichenden Ausbeute.
Dietmar Hamann stellte beim Pay-TV-Sender Sky bereits die Trainerfrage. «Ich glaube, die Mannschaft braucht eine harte Hand. Ich weiß nicht, ob Nuri Sahin das ist», sagte der TV-Experte. Möglicherweise fragen sich das auch die BVB-Verantwortlichen. «Aber wir werden heute keine Grundsatzdiskussion dazu starten», erklärte Kehl.
Dennoch: Der BVB muss schleunigst Ursachenforschung betreiben, warum die Mannschaft in dieser Spielzeit mit zwei völlig verschiedenen Gesichtern auftritt. Zu Hause sind die Schwarz-Gelben eine Macht, in der Fremde ein gerngesehener Gast. «Fakt ist, dass wir jetzt fünf Auswärtsspiele nicht gewonnen haben. Wir sind selbstkritisch genug, um zu sagen, dass dies an der einen oder anderen Stelle nicht unseren Ansprüchen genügt», räumte Kehl ein.
Sahin nahm sein Team nach der Pleite in Mainz trotzdem in Schutz. «Die Jungs gehen auf der letzten Rille», entschuldigte der BVB-Coach den schwachen Auftritt mit einem Mann weniger. Abwehrspieler Nico Schlotterbeck räumte dagegen ein, dass «wir das auch zu zehnt besser spielen können».
Julian Brandt richtete vor seiner Abreise zur Nationalmannschaft einen flammenden Appell an seine Teamkollegen. «Es muss das Ziel sein, irgendwann diesen Bann zu brechen, weil ich keinen Bock darauf habe, aus irgendwelchen Städten ständig mit einer Niederlage im Gepäck nach Hause zu fahren. Das geht mir auf den Sack und fühlt sich ätzend an», sagte der Offensivspieler.
Der BVB hat nach zehn Spielen bereits zehn Punkte Rückstand auf Tabellenführer Bayern München und damit kaum noch Chancen, in den Titelkampf einzugreifen. «Ich werde mich jetzt nicht mit den Bayern beschäftigen. Das ist aktuell nicht mein Thema», sagte Kehl zur Tabellensituation.
Diese sei «ernüchternd», befand Brandt und forderte: «In den restlichen Spielen im November und Dezember müssen wir uns in eine vernünftige Ausgangsposition für das zweite Halbjahr bringen.» Dafür muss die Auswärtsschwäche dringend abgestellt werden. «Wir müssen diese Aufgaben schleunigst von der Mentalität her genauso angehen wie die Heimspiele», sagte Nationalspieler Pascal Groß und brachte die Stimmungslage beim BVB auf den Punkt: «Jetzt gehen wir mit einem Scheiß-Gefühl in die Länderspielpause.»
Quelle: dpa