Urlauber mit Ziel in der Region Oberstdorf müssen sich die kommenden Jahre bei der Anreise mit der Bahn auf deutliche Einschränkungen gefasst machen. Die Deutsche Bahn (DB) kündigte an, dass eine Stellwerksanierung Bahnfahrten von und nach Oberstdorf behindern werde, Fernverkehrsverbindungen werden vorläufig ganz gestrichen.
Dies hat nicht nur Auswirkungen für die Tourismusangebote in Oberstdorf selbst. Auch andere Orte in der Umgebung sind betroffen, so ist beispielsweise das benachbarte Kleinwalsertal in Österreich ebenfalls auf den Bahnhof Oberstdorf angewiesen. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) verlangte von der Bahn eine schnellere Reparatur oder die Einrichtung eines Notstellwerks. Wirtschaftsvertreter sehen ein «Desaster», und Kommunalpolitiker beraten nach Angaben der Marktgemeinde Oberstdorf derzeit darüber, wie auf die Situation reagiert werden soll.
Die DB spricht von einem «massiven Kabelschaden» im Stellwerk, der eine Kompletterneuerung der Anlage erfordere. Derzeit stehe im Bahnhof Oberstdorf daher nur noch ein Gleis zur Verfügung. «Deswegen können nicht mehr alle Züge in den Bahnhof Oberstdorf ein- und ausfahren.»
Die Fernverkehrs-Direktverbindungen von Dortmund und Hamburg würden «bis auf Weiteres» komplett gestrichen. Wann die Intercity-Züge wieder fahren, lässt die DB offen. Es sei aber beabsichtigt, Oberstdorf später wieder an den Fernverkehr anzuschließen, sagt eine DB-Sprecherin. Die Planung und der Bau eines Stellwerks dauerten in der Regel mehrere Jahre, erläutert sie den Zeitplan.
Auch für den Regionalverkehr hat der Schaden Auswirkungen. Die Züge aus München und Augsburg werden bis zu 20 Minuten länger unterwegs sein. Einzelne Verbindungen werden ganz entfallen, dafür werden gegebenenfalls Ersatzbusse angeboten. Die Bahn sieht allerdings dennoch für Fernverkehrspassagiere «weiterhin attraktive Reisemöglichkeiten». Die Kunden von und nach Oberstdorf könnten in den Großstädten München, Augsburg oder
Ulm umsteigen und das dortige gute ICE-Angebot nutzen.
Die schwäbischen Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht durch das Bauprojekt das Allgäu im Wettbewerb mit anderen Ferienregionen zurückgeworfen. «Mit dem plötzlichen Aus für die Intercitys nach Oberstdorf verlieren auch Kempten, Kaufbeuren, Immenstadt, Sonthofen und Fischen ihre Fernverkehrs-Verbindungen», sagt IHK-Mobilitätsexperte Peter Stöferle.
Für die DB sei Oberstdorf ein unbequemer Zielbahnhof, weil er neben Sylt der einzige Fernverkehrs-Endpunkt sei, der nicht mit E-Loks angefahren werden könne, sagte Stöferle. «Hier rächt es sich zusätzlich, dass die seit Jahrzehnten überfällige Elektrifizierung immer noch fehlt.»
Zwar gibt es mittlerweile Planungen, auch mit neuartigen Wasserstoff-Zügen das Angebot im Allgäu zu verbessern. Bislang sind dort die Züge zu einem großen Teil aber noch mit Dieselmotoren unterwegs. Die IHK sieht die aktuelle Situation im Raum Oberstdorf daher als Folge von viel zu lange unterbliebenen Investitionen in die Strecken. Es sei «ein Desaster – für die Bahn und für den Tourismus», meint Stöferle.
Auch die Hotelbetreiber im Kleinwalsertal bedauern das vorläufige Ende der Fernverkehrsverbindungen nach Oberstdorf. «Gerade diese Verbindungen waren sehr attraktiv», sagt Ule Peter Haak vom dortigen Tourismusbüro. Allerdings sei die DB bereits seit Jahren nicht sehr verlässlich. Gerade für die älteren Reisenden sei die Situation tragisch. Die Bahn sei «eine Servicewüste» geworden.
Grundsätzlich sei man froh um jeden Gast, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreise und die Verkehrssituation im Allgäu entlaste, erklärt Haak. Die Busverbindungen zwischen Oberstdorf und dem Kleinwalsertal seien hervorragend. «Aber jetzt ist die Bahn definitiv das Problem.»
Obwohl das Kleinwalsertal im österreichischen Bundesland Vorarlberg liegt, sind die Betriebe dort ganz auf den Verkehrsanschluss nach Deutschland angewiesen. Aufgrund seiner Lage hat das beliebte Alpental keine direkte Verbindung zu seinen Nachbarn in Österreich.
Minister Bernreiter verlangt auf jeden Fall eine schnellere Lösung von der Bahn. Oberstdorf sei eine der wichtigsten Tourismusdestinationen in Bayern mit mehr als 2,7 Millionen Übernachtungen pro Jahr, betont das Verkehrsministerium in München. «Hinzu kommen zahlreiche Tagesgäste, Pendler und Schüler, die das Zugangebot nutzen.»
Die gestrichenen IC-Züge könnten wenigstens bis Kempten, Immenstadt oder Sonthofen fahren, findet Bernreiter. Außerdem verlangt er von der Bahn Auskunft, wo im Freistaat ähnliche Einschränkungen drohen. Denn im bayerischen Schienennetz gebe es zahlreiche Stellwerke älterer Bauart.
Quelle: dpa