Regierungsbildung

BSW kommt Regierungsbeteiligung in Thüringen näher

28. Oktober 2024 , 20:28 Uhr

Erst Brandenburg, nun Thüringen: In gleich zwei Bundesländern ist das Bündnis Sahra Wagenknecht einer Regierungsbeteiligung näher gekommen. Doch es gibt feine Unterschiede beim Kernthema Frieden.

Einige vertrauliche Gespräche liegen hinter ihr – es war ein hartes Tauziehen um Wörter und Sätze. Nun steht Katja Wolf, Partei- und Fraktionsvorsitzende des BSW in Thüringen, vor den Kameras und erzählt von den «schwierigsten Verhandlungen meines Lebens». Und vor allem vom Ergebnis: CDU, BSW und SPD einigten sich in der lange strittigen Friedensfrage. Parteigründerin Sahra Wagenknecht hatte von dem Passus zur Friedenspolitik die Aufnahme von Verhandlungen für eine Koalition unter Beteiligung des erst vor einem Jahr gegründeten BSW abhängig gemacht. 

Am Dienstag wollen die Parteien Koalitionsverhandlungen aufnehmen und sich – so die Botschaft der Landesspitzen am Montag – vor allem wieder um Thüringer Themen kümmern. Der Stress der vergangenen Tage, das harte Ringen um eine mögliche Präambel für einen Koalitionsvertrag mit Zwischenrufen der Parteichefs Friedrich Merz und Sahra Wagenknecht war den Thüringern aber dennoch anzusehen. 

Parallelen zu Brandenburg 

Am Ende steht ein Kompromiss, der einem kurz zuvor vorgestellten Papier von SPD und BSW in Brandenburg in einigen Punkten ähnelt – aber in Nuancen auch abweicht: So soll in der Frage über die Stationierung von Mittelstreckenraketen jeweils eine breite Debatte angestoßen werden. Allerdings einigten sich die Brandenburger Verhandler auf eine Formulierung, wonach sie eine Stationierung der Raketen kritisch sehen – während in Thüringen nur vermerkt ist, viele Bürger im Freistaat sähen die Stationierung kritisch. 

In Thüringen sind außerdem unterschiedliche Ziele der Parteien festgeschrieben: «CDU und SPD sehen sich in der Tradition der Westbindung und Ostpolitik. Des BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs», steht da. Bei Waffenlieferungen an die Ukraine sei man unterschiedlicher Auffassung. 

Wagenknecht bezeichnet Kompromiss als Fehler

Angesprochen auf die Reaktion ihrer Parteifreunde auf die Thüringer Einigung sagte Wolf: «Natürlich wünscht man sich immer mehr.» Am Abend tagte noch der Landesvorstand der Partei. Eine formale Zustimmung von Bundeschefin Sahra Wagenknecht sei zwar nicht nötig, das Papier sei aber intensiv mit ihr diskutiert worden, sagte Wolf. 

Wagenknecht meldete sich noch am Abend – und mit deutlicher Kritik. Es sei «ein Fehler, sich nicht an dem in Brandenburg gefundenen Kompromiss zu orientieren», sagte sie dem «Spiegel». Die Präambel bleibe deutlich hinter dem Ergebnis in Brandenburg zurück. Auch gegenüber dem MDR äußerte Wagenknecht Kritik. Sie sagte aber auch: «Trotzdem werden wir jetzt in Gespräche eintreten.»

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt verwies darauf, dass auch andere Parteien Bundesspitzen hätten, mit denen sie sich abstimmen müssten. CDU-Bundeschef Merz hatte Wagenknecht kurz zuvor eine Unlust am Regieren attestiert. Voigt zufolge hat das Thüringer CDU-Präsidium dem Vorschlag für eine Präambel im Koalitionsvertrag bereits zugestimmt. Bei der SPD zeigte sich Landeschef Georg Maier vor Gesprächen mit dem Landesvorstand zuversichtlich, dass die Parteispitze das Verhandlungsergebnis mitträgt. 

Wer ist Katja Wolf?

Als Gegenspielerin zu Wagenknecht sieht sich Wolf, die zwölf Jahre mit dem Parteibuch der Linken Oberbürgermeisterin in der Autostadt Eisenach war, nicht. Der größte Unterschied zu Wagenknecht ist wohl, dass Wolf sich nicht vor allem als Opposition versteht. Wolf hat sich im Gegensatz zu Wagenknecht bereits entschieden – sie will in Thüringen mitregieren. 

«Wir bekommen das schon hin», ist ein Satz, der von Wolf oft in Erfurt zu hören ist. Oder: «Es gibt in Thüringen keine Alternative zu einer stabilen Landesregierung.» Öffentlich zeigt Wolf nie, wenn sie Sätze aus Berlin nerven. Ärger lächelt sie weg. 

«Frau Wagenknecht weiß, wie ich ticke», sagte Wolf kürzlich «Zeit online». Und: Wagenknecht sei auf die Bundestagswahl fokussiert «und hat Sorge, dass wir durch unseren pragmatischen Thüringer Stil ihr Wahlkampfkonzept einer klaren Abgrenzung zu anderen Parteien kaputt machen. Aber diese Sorge ist unbegründet.» Wolf hat eine Reihe von Gleichgesinnten in Landesvorstand und Fraktion um sich geschart, darunter ehemalige Linke und Grüne, aber auch den Unternehmer Steffen Schütz als Co-Vorsitzenden des BSW. Er ist ein wichtiger Vertrauter. 

Sondierungspapier war bereits fertig

In Thüringen hatten sich die drei Parteien vor den Verhandlungen um den Friedenspassus bereits auf ein Sondierungspapier geeinigt, dem auch die Parteivorstände schon zugestimmt haben. Nach Angaben der Parteispitzen verliefen die Gespräche, bei denen es um alle Politikfelder von Finanzen, Wirtschaft, Bildung bis Migration ging, vertrauensvollen und ernsthaft. Verabredet wurden eine Reihe gemeinsamer Projekte, vom Einstieg in kostenloses Schulessen bis zur Verabredung, die Schuldenbremse einzuhalten. 

Sollten CDU, BSW und SPD eine Regierung bilden, haben sie im Thüringer Landtag 44 von 88 Sitzen. Um das Patt aufzulösen, ist mindestens eine Stimme der Opposition nötig. 

Ausgespart wurde im Sondierungspapier jedoch das Thema Krieg und Frieden und die BSW-Forderung nach mehr Diplomatie zur Beendigung des Ukraine-Krieges. Es sollte ursprünglich am Ende der Koalitionsverhandlungen aufgerufen werden. Das wollte Wagenknecht jedoch nicht akzeptieren. 

Zu einer Brombeer-Koalition gibt es nach dem Ergebnis der Landtagswahl vor acht Wochen in Thüringen kaum eine Alternative, weil alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, die CDU auch mit der Linken. Die AfD war mit 32,8 Prozent erstmals bei einer Landtagswahl in Deutschland stärkste Partei geworden. Sie landete deutlich vor der CDU, die den Auftrag der Regierungsbildung bei sich sieht. Das BSW kam auf den dritten Platz. Die Linke des noch geschäftsführenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow landete auf Rang vier. Die SPD schaffte mit einem einstelligen Ergebnis den Einzug in den Landtag, dem Grüne und FDP nicht mehr angehören.

Quelle: dpa

 

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