Gesundheitspolitik

«E-Patientenakte für alle» - was das für Versicherte heißt

28. Oktober 2024 , 04:57 Uhr

Die Krankenkassen verschicken zurzeit Infobriefe zur elektronischen Patientenakte, die bald in der Breite starten soll. Das Ziel: alle Gesundheitsdaten auf einen Blick.

Arztbriefe und Befunde, Blutwerte, Medikationspläne, Zahnarztbehandlungen oder auch, wann die letzte Tetanus-Impfung war: Demnächst wird für alle gesetzlich Krankenversicherten, die nicht aktiv widersprechen, automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA) angelegt. In der können nach und nach solche Daten hinterlegt werden. Was soll das bringen, wer entscheidet darüber, was dort gespeichert wird, und welche Bedenken gibt es?

«Die elektronische Patientenakte wird dazu führen, dass die Versorgung besser wird. (…) ein System, was für Patienten, für Ärzte, aber auch für Forscher wichtige neue Möglichkeiten schafft.» (Gesundheitsminister Karl Lauterbach, SPD, am 30. September 2024)

Wo wird diese Akte angelegt und was wird darin gespeichert? 

Die Akte und die darin enthaltenen Dokumente und Daten werden nach Angaben der Verbraucherzentralen zentral auf Servern in Deutschland gespeichert und verschlüsselt. Die Anforderungen an die Datensicherheit seien sehr hoch. Technisch läuft das über die sogenannte Telematikinfrastruktur, ein in sich geschlossenes Netzwerk, an das die Akteure des Gesundheitswesens angebunden sind. Laut Gesundheitsministerium kann niemand außer den Versicherten und denjenigen, die von ihnen zum Zugriff berechtigt wurden, die Inhalte der E-Patientenakte lesen. Was konkret darin abgespeichert wird, entscheiden die Versicherten selbst – auch in Abstimmung mit ihren Ärzten. 

Wie läuft das praktisch?

Über eine Smartphone-App der jeweiligen Krankenkasse. Versicherte können darüber selbst Dokumente in der Akte ablegen, zum Beispiel Befunde oder alte Laborergebnisse einscannen und hochladen. Auch selbst geführte Tagebücher mit Blutdruckmessungen können angelegt werden. Beim Arztbesuch befüllt dieser wiederum die Akte über seinen Praxis-Computer mit Befunden zu aktuellen Behandlungen. Außerdem laden die Krankenkassen in die Akte hoch, welche Leistungen bei ihnen abgerechnet wurden. Nachvollziehbar wird somit noch einmal schwarz auf weiß, wann welcher Arzt besucht, welche Diagnose dort gestellt oder welches Medikament wann verschrieben wurde. Die E-Patientenakte für alle, die nicht widersprechen, startet ab Mitte Januar 2025.

Was soll das bringen?

Ein Beispiel: Rentner X zieht von der Stadt aufs Land, braucht dort einen neuen Hausarzt und meldet sich in der neuen Praxis an. Seine Krankenkassenkarte wird ins Lesegerät gesteckt, die Praxis bekommt damit Einsicht in seine elektronische Patientenakte und der neue Arzt oder die Ärztin sehen, welche Behandlungen X schon hatte oder welche Medikamente er nimmt. 

Hilfreich könnte das auch bei einem Notfall sein, wenn X ins Krankenhaus müsste. Die Ärzte könnten in der E-Patientenakte Vorerkrankungen erkennen oder Wechselwirkungen bei der Verabreichung von Medikamenten besser ausschließen, wenn sie sehen, welche Arzneimittel X sonst regelmäßig nimmt.

Das heißt, sobald meine Krankenkassenkarte in ein Lesegerät eingesteckt wird, bin ich ein offenes Buch…

Je nach Einstellung in der App. Dort sollen Versicherte selbst festlegen können, welches Dokument für wen sichtbar ist. Das kann zum Beispiel über Vertraulichkeitsstufen laufen: Ein Dokument in der E-Akte wird entweder als freigegeben für alle markiert, die über das Stecken der Chipkarte Zugriff haben, oder es wird nur für bestimmte Ärzte freigegeben oder als gesperrt markiert, so dass nur der Patient selbst es sehen kann. «Sie können jederzeit Inhalte einsehen, einfügen, löschen oder verbergen, Zugriffsrechte erteilen oder beschränken und Widersprüche einlegen», heißt es bei den Verbraucherzentralen.

Welche Vorteile werden noch angeführt für die E-Patientenakte?

Transparenz und eine größere Informiertheit von Patienten, weil sie selbst einen Überblick über die eigenen Gesundheitsdaten bekommen. Mit Hilfe der Daten könnte es auch leichter werden, sich Zweitmeinungen einzuholen oder gezieltere Rückfragen beim Arzt zu stellen. Angeführt wird zudem, dass Doppeluntersuchungen vermieden werden könnten. Auf Möglichkeiten im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz wird ebenfalls verwiesen.

 «Zum Beispiel kann ich mit der KI über meine eigene elektronische Patientenakte sprechen. Sie kann mir Empfehlungen geben, und ich kann sie fragen, ob bei meiner Behandlung vielleicht Fehler gemacht worden sind». (Karl Lauterbach im November 2023 im «Spiegel»)

Aber wenn ich doch lieber beim Aktenordner bleibe und eine E-Akte nicht will?

Wer die E-Akte nicht will, muss bei der Krankenkasse aktiv Widerspruch dagegen einlegen, dann wird sie gar nicht erst eingerichtet. Es soll aber auch später möglich sein, eine einmal angelegte Akte wieder löschen zu lassen. 

Kritik gibt es daran, dass die Steuerung der Akte per Smartphone-App ältere oder wenig technikaffine Menschen abschrecken könnte. Betroffene können in einem solchen Fall eine vertrauenswürdige Person festlegen, die sich für sie um die technische Betreuung der Akte kümmert. Unabhängig davon besteht die Akte, wenn ihr nicht widersprochen wurde, auch ohne eigenes Zutun und wird dann hauptsächlich von behandelnden Ärzten befüllt.

Sensible Gesundheitsdaten übers Handy und irgendwo zentral gespeichert – ist das nicht riskant?

Ein Risiko von Datenklau und Hackerangriffen besteht im digitalen Raum immer, somit bleibt die Nutzung solcher Technologien immer auch eine persönliche Abwägung. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) betont, die Datenverarbeitung in der E-Patientenakte erfolge «in einer auf höchstem Niveau sicherheitsgeprüften und vertrauenswürdigen technischen Umgebung». Auch die Apps seien «nach höchsten Standards sicherheitsgeprüft».

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider kritisierte allerdings bei einer Diskussionsveranstaltung ihres Hauses kürzlich die Widerspruchslösung – also, dass alle automatisch eine E-Akte bekommen, sofern sie nicht widersprechen: Dies sei eine politische Entscheidung, aus datenschutzrechtlicher Sicht wäre man glücklicher mit einer Einwilligungslösung gewesen. «Dann hätten wir eine selbstbestimmte Entscheidung der Patienten gehabt und eine datenschutzrechtliche Legitimation, die in der breiten Bevölkerung auch akzeptiert worden wäre.»

Quelle: dpa

 

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