Ein Mordprozess fast 25 Jahre nach der Tat ist in München unmittelbar nach dem Beginn der Verhandlung wieder ausgesetzt worden. Damit muss der Prozess gegen einen 57-Jährigen, der seine getrennt von ihm lebende Ehefrau ermordet haben soll, im nächsten Jahr neu beginnen. Grund dafür war ein Antrag der Verteidigung, die vor dem Landgericht München I unter anderem fehlende Sprachkenntnisse des seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden Angeklagten geltend machte und eine Übersetzung der 207-seitigen Anklageschrift forderte.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem in der Türkei geborenen Angeklagten Mord vor. Er soll die Mutter der vier gemeinsamen Kinder im Februar 2000 «aus Eifersucht und übersteigertem Besitzdenken» mit einem unbekannten Mittäter erdrosselt haben, weil sich die Frau nach Jahren der Demütigungen und Misshandlungen von ihm getrennt und sich ein eigenes Leben samt neuem Partner aufgebaut habe. Das Opfer, das mit dem mutmaßlichen Täter mit 15 Jahren in der Türkei zwangsverheiratet worden war, starb im Alter von 28 Jahren.
Aus Sicht der Anklage handelte der mutmaßliche Täter «aus narzisstisch geprägter Wut und Verärgerung» über die 1997 erfolgte Trennung und «stellte seine eigenen, ichbezogenen Befindlichkeiten bewusst über das Lebensrecht der Geschädigten». Der laut Staatsanwaltschaft sehr konservative und traditionsbehaftete Mann war schon direkt nach der Tat unter Verdacht geraten, die Beweise reichten jedoch nicht für eine Anklage.
Im vergangenen Jahr wandte sich jedoch ein Zeuge an die Polizei. Auf der Basis seiner Angaben überprüfte die Staatsanwaltschaft den Altfall erneut und beantragte im Dezember 2023 Haftbefehl. Die Ermittlungen füllen inzwischen 18 Ordner.
Darin wird detailliert ausgeführt, wie das Opfer als 15-Jährige in der Türkei mit ihrem Cousin zwangsverheiratet worden war und zu ihm nach Deutschland ziehen musste. Dort wurde sie von der auf engstem Raum zusammenlebenden Großfamilie jahrelang ausgebeutet, gedemütigt und körperlich misshandelt. Ihr Mann soll dabei den Ermittlungen zufolge besonders brutal vorgegangen sein und sie auch vergewaltigt haben.
Nach neun Jahren floh die Frau mit ihren Töchtern in ein Frauenhaus und baute sich in den folgenden Jahren peu à peu ein neues Leben auf. Als sie sich scheiden lassen wollte und zudem einen neuen Partner hatte, soll der Angeklagte dann aufgrund seines Besitzdenkens und seiner Vorstellungen von «Ehre» den Entschluss gefällt haben, sie zu töten.
Quelle: dpa