Vincent Kompany startete mit einem Scherz. «Ich hoffe, der Strom ist wieder weg», sagte der Bayern-Trainer und lachte laut. Beim verbalen Vorspiel vor dem Champions-League-Klassiker beim FC Barcelona und dem spannenden Wiedersehen mit dem einst in München gefeierten Triple-Trainer Hansi Flick klappte nicht alles wie geplant. Nationalspieler Joshua Kimmich, der am Dienstagabend vor Kompany im Teamhotel bei der Pressekonferenz auf dem Podium saß, musste seine Ausführungen vorzeitig beenden.
Positiv angespannt bereiten sich die Münchner auf einen facettenreichen europäischen Fußball-Klassiker vor, in den sie als Barças Angstgegner gehen und in dem sportlich mehr auf dem Spiel steht als das übliche Prestige. Beim Comeback-Einsatz von Jamal Musiala pokerte der Coach. «Jeder weiß, wie wichtig Jamal ist. Aber es geht auch um die nächsten 30, 40 Spiele. Wir wollen nicht zu viel Risiko nehmen», sagte Kompany.
Am Mittwoch (21.00 Uhr/DAZN) geht es schon um sehr viel für beide Clubs an einem katalanischen Abend, der große Duelle bereithält. Das der Trainer Flick kontra Kompany. Dazu kommt das Wettschießen der Torjäger-Stars Robert Lewandowski und Harry Kane. Und vielleicht erleben die Fans auch den reizvollen Jungstar-Vergleich von Lamine Yamal mit Musiala. Bayerns Ball-Zauberer mischte jedenfalls nach seiner Wettkampfpause wegen Hüftbeschwerden beim Training noch in München wieder munter mit.
Bayerns Sportvorstand Max Eberl erwartet im Olympiastadion von Barcelona, wohin die Gastgeber wegen des Umbaus ihres Stadions Camp Nou ausweichen müssen, eine Fünf-Sterne-Partie: «Es ist in der Champions League ein bisschen die Crème de la Crème.»
Und die Bayern sind – nicht erst seit dem 8:2-Triumph beim gewonnenen Finalturnier 2020 in Lissabon mit Flick als Chefcoach – Barças Alptraum. Aber wen interessieren Statistiken in der Gegenwart? Flick ist beim Rendezvous in Spanien erstmals Bayern-Gegner. «Die Konstellation ist sehr interessant, auf Hansi zu treffen», sagte Kimmich, als sein Mikro noch funktionierte.
Unter Flick ist Barça wieder auf Erfolgskurs. Über 30 Stunden vor dem Anpfiff wirkte der 59-Jährige noch ganz cool, als er über sich und die Vergangenheit sprach. «Es war eine superschöne Zeit, die ich auch so in Erinnerung habe. Natürlich ist Bayern München etwas Besonderes in meiner Vita. Ich war als Spieler und Trainer dort sehr erfolgreich. Ich habe viele Bekanntschaften dort.» Neuer, Müller, Kimmich, Gnabry, Coman, Davies – das Gros seiner Ex-Spieler trifft er nun wieder. Sein Insiderwissen soll zum Vorteil für Barça werden.
Auch Kompany muss einkalkulieren, dass Emotionen das Spiel beeinflussen könnten, in dem beide Teams nach jeweils einem Sieg und einer Niederlage unter Druck stehen. Die direkte Achtelfinal-Qualifikation, für die Platz acht in der Tabelle der 36 Teams notwendig ist, gerät für den Verlierer erst einmal aus dem direkten Blickfeld.
Natürlich sei es «ein besonderes Spiel» für Kontrahent Flick, befand Kompany. Aber auch für ihn ist es eine spezielle Trainerprüfung gegen seinen Vor-Vor-Vorgänger, der die Bayern einst in anderthalb Jahren zu insgesamt sieben Titeln führte; darunter das historische Sextuple.
«Du hast immer die Trainer, die Unglaubliches geleistet haben für den FC Bayern», sagte Kompany: «Er gehört dazu, Jupp Heynckes, Pep Guardiola. Aber letztendlich geht es darum: Er will gewinnen, wir wollen gewinnen. Und die Spieler spielen, nicht wir (Trainer).»
Bei den Stars auf dem Rasen richtet sich der Fokus ohne das reizvolle Torhüter-Duell Marc-André ter Stegen (verletzt) gegen Manuel Neuer vor allem auf die Torjäger. Jahrelang war es der inzwischen 36-jährige Lewandowski, der in München Tor-Marken setzte, an denen sich nun Nachfolger Kane abarbeitet. Beide legten in der Liga mächtig vor: Kane beendete seine kleine Flaute beim 4:0 gegen den VfB Stuttgart mit gleich drei Toren. Lewandowski ließ tags darauf prompt für Barça einen Doppelpack beim 5:1 gegen den FC Sevilla folgen.
Kane nennt Lewandowski hochachtungsvoll «einen der besten Stürmer meiner Generation». Der Engländer freut sich auf «eine große Nacht» und «einen harten Kampf» – nicht nur der Super-Neuner. «Hoffentlich können wir unseren Stempel aufdrücken», verkündete Kane.
In den Fokus rückt plötzlich auch ein Bayern-Profi, der im Sommer für etwas mehr als 50 Millionen Euro kam, aber bislang im Schatten von Nationalelf-Youngster Aleksandar Pavlovic stand. Dessen Schlüsselbeinbruch sei «eine große Chance» für ihn, bekannte João Palhinha. Der 29-Jährige ist neben Joshua Kimmich als kampfstarker Abräumer im Mittelfeld gefragt.
Quelle: dpa