Neuer Vorstand, Ampel-Kritik, Debatten zum thematischen Kurs: Die Grüne Jugend hat bei ihrem Bundeskongress am Wochenende in Leipzig personelle und inhaltliche Weichen für ihre Zukunft gestellt. Nach dem Rückzug des alten Vorstands stand die Wahl eines neuen Führungsduos im Fokus: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kongresses wählten die 25 Jahre alte Jette Nietzard und den 24-jährigen Jakob Blasel zu ihren neuen Vorsitzenden.
Inhaltlich konzentrierten sich die Forderungen und Debatten auf die Themen Klimaschutz, Asylpolitik und soziale Gerechtigkeit. Es gab scharfe Kritik an der Ampel-Koalition und den Grünen – aber auch über die eigene Ausrichtung war man sich nicht immer einig.
Mit der Wahl von Jakob Blasel führt nun eines der bekannteren Gesichter der Klimabewegung Fridays for Future die Grüne Jugend an. Der Student der Rechts- und Umweltwissenschaften kritisierte, es könne nicht sein, dass die Bundesregierung bei einer sozialen und ambitionierten Wärmewende oder einer günstigen und guten Bahn versage.
Knapp ein Jahr vor der Bundestagswahl stand auch die Frage im Raum, wie sehr das Thema im Wahlkampf im Zentrum stellen solle. Die Forderung nach einem «Klimawahlkampf» prallte auf die Ansicht, Klimaschutz solle ein zentrales Thema sein, man dürfe darüber aber das Thema Migration nicht vergessen.
Immer wieder kritisierten Mitglieder der Parteijugend bei dem Kongress einen Rechtsruck in der Asylpolitik – und nahmen dabei auch die Mutterpartei in die Verantwortung. Unmut entfachte sich unter anderem am sogenannten Sicherheitspaket, das die Ampel-Koalition nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht hatte.
Mit diesem wurde unter anderem der Ausschluss von Asylbewerbern von staatlichen Leistungen beschlossen, für deren Schutzersuchen nach den sogenannten Dublin-Regeln ein anderes europäisches Land die Verantwortung trägt – wenn die Ausreise für sie rechtlich und tatsächlich möglich ist. Ausnahmen soll es geben, wenn Kinder betroffen sind. Das «Sicherheitspaket» schränke die Rechte von Geflüchteten ein und zwinge sie, unter dem Existenzminimum zu leben, lautete ein Vorwurf aus den Reihen der Grünen Jugend.
Deren neue Vorsitzende Nietzard engagiert sich für Geflüchtete und hob hervor: «Wenn Menschen in der Bundesregierung mir erzählen, wir bräuchten Obergrenzen, wir müssten schneller abschieben, dann möchte ich sie anschreien: Wir brauchen keine Obergrenzen, wir brauchen Menschenwürde.»
Nietzard arbeitet beim Deutschen Kinderhilfswerk und ist ursprünglich zu den Grünen gekommen, um Kinderarmut zu beenden. «Große Konzerne machen Rekordgewinne, während Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren», kritisierte sie. Zu viele Menschen arbeiteten noch immer im Niedriglohnsektor. Die Probleme löse man allerdings nicht, indem man gegen Geflüchtete oder Bürgergeldempfänger hetze, «sondern indem wir gemeinsam für eine Gesellschaft kämpfen, die nicht nach unten tritt, sondern nach oben boxt».
Die Grüne Jugend forderte in einem Antrag, den gesetzlichen Mindestlohn auf Jugendliche auszuweiten. Die gesetzliche Lohnuntergrenze gilt für unter 18-Jährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht. Blasel warf der Ampel-Koalition vor, dass soziale Gerechtigkeit bei ihr nicht auf der Tagesordnung stehe.
Die Kritik der Parteijugend richtete sich auch gegen die alte Führungsriege, die nun abgelöst wurde. Ende September hatte der ehemalige Vorstand um Svenja Appuhn und Katharina Stolla verkündet, zunächst aus der Partei auszutreten – und dann auch aus der Grünen Jugend. Die Begründung: zu wenig linkes Profil bei den Grünen, zu viele Kompromisse in der Ampel-Koalition.
Nach dem Bundeskongress wollen die Aussteigerinnen und Aussteiger nun einen neuen, linken Jugendverband gründen. Sie werben dafür unter dem Slogan «Zeit für was Neues». Dutzende Mitglieder aus zahlreichen Landesverbänden der Grünen Jugend sind ihnen gefolgt.
Die Grüne Jugend äußerte sich in Leipzig vereinzelt versöhnlich dazu – doch mehrheitlich herrschte Unmut. Die Vorwürfe betrafen eine zunächst an die Presse statt an die Mitglieder gewandte Kommunikation, aber auch eine Beteiligung an «linker Zersplitterung» und den Aufbau einer «Konkurrenzorganisation».
Die Grüne Jugend bekräftigte, es sei nicht ihre Aufgabe, Kompromisse der Regierung mitzutragen. Stattdessen wolle man bei den Grünen für die eigenen Positionen einstehen. «Unsere Unterstützung ist dabei nicht bedingungslos», hieß es. Echte Lösungen erwarte man etwa für eine humane Asyl- und eine sozialverträgliche Klimapolitik.
Noch-Parteichefin Ricarda Lang räumte vor der traditionell linken Parteijugend Fehler beim Umgang mit dem Thema Migration ein. Die Grünen hätten geglaubt, dabei nichts gewinnen zu können. Sie müssten nun auch in der Regierung den Kampf um die Deutungshoheit bei diesem Thema wieder aufnehmen.
Quelle: dpa