Beziehungen zum Iran

Konsulatsschließungen: Iran bestellt Geschäftsträger ein

31. Oktober 2024 , 21:13 Uhr

Die deutsche Reaktion auf die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers im Iran fällt härter aus als von vielen erwartet. Der Iran bestellt den deutschen Geschäftsträger ein.

Der Iran hat die Schließung seiner drei Generalkonsulate in Deutschland verurteilt und aus Protest den Geschäftsträger der deutschen Botschaft einbestellt. Die Entscheidung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Iranern sowie Deutschen konsularische Dienstleistungen in Deutschland zu verweigern, sei «ungerechtfertigt», so das iranische Außenministerium in einer Presseerklärung auf dem Internetportal «Iran Nuances». Ob die Regierung Teheran daneben noch weitere Maßnahmen ergreift, ist unklar. Beobachter in Teheran rechnen jedoch mit härteren Schritten.

Die Bundesregierung hatte zuvor die Schließung der Vertretungen in Frankfurt am Main, Hamburg und München mit zusammen 32 konsularischen Beamten als Reaktion auf die Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd verkündet. Baerbock begründete den Schritt mit dem «menschenverachtenden Agieren» der iranischen Führung. «Dass nun im Lichte der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten die Ermordung erfolgte, zeigt, dass ein diktatorisches Unrechtsregime wie das der Mullahs nicht in der normalen diplomatischen Logik agiert», sagte die Grünen-Politikerin. Das iranische Außenministerium nannte den Protest der Bundesregierung gegen die Hinrichtung eine Einmischung in innere Angelegenheiten.

Nur einmal zuvor greift die Regierung zu solch einer Maßnahme

Die Reaktion auf die Hinrichtung fällt härter aus als von vielen erwartet. Die betroffenen Konsularbeamten verlieren ihr Aufenthaltsrecht und müssen ausreisen, sofern sie nicht andere Aufenthaltsgründe vorweisen können, zum Beispiel eine EU-Staatsbürgerschaft. Die Botschaft in Berlin bleibt aber geöffnet und ist weiter für die konsularische Betreuung der 300.000 Iraner in Deutschland zuständig. Über die Zahl der Mitarbeiter an der Botschaft gibt das Auswärtige Amt keine Auskunft.

Bisher griff die Bundesregierung nur einmal zu einer solch drastischen Strafmaßnahme: Infolge des Angriffs auf die Ukraine wurden vier russische Generalkonsulate geschlossen, allerdings mit Verzögerung. Die Entscheidung wurde erst 15 Monate nach der Invasion im Mai 2023 als Reaktion auf die Ausweisung Hunderter deutscher Staatsbediensteter getroffen und erst zum Jahreswechsel 2023/24 umgesetzt.

Etwa 300.000 Iraner in Deutschland

Irans Justiz hatte Sharmahds Hinrichtung am Montag bekanntgegeben. Er wurde im Frühjahr 2023 in einem umstrittenen Prozess nach Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt. Die Bundesregierung, Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn vehement zurück.

Baerbock wies darauf hin, dass die Bundesregierung den Iran für den Fall der Hinrichtung immer vor schwerwiegenden Folgen gewarnt habe. Sie forderte die Freilassung der noch inhaftierten Deutschen, deren Zahl vom Auswärtigen Amt nicht bekanntgegeben wird.

Neuer Tiefpunkt in den deutsch-iranischen Beziehungen

Die ohnehin schon massiv eingeschränkten deutsch-iranischen Beziehungen sind mit der Schließung der Generalkonsulate auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. 

Bereits nach dem Todesurteil gegen Sharmahd hatte das Auswärtige Amt zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. Der Iran reagierte seinerseits mit der Ausweisung derselben Zahl deutscher Diplomaten. Das ist ein übliches Vorgehen in solchen Fällen.

Die Europäische Union berät auch über weitere Sanktionen gegen den Iran. Dabei könnte es um Personen gehen, die mit der Hinrichtung, Inhaftierung oder dem Gerichtsverfahren zu tun haben, das von der Bundesregierung als nicht rechtsstaatlich erachtet wird. Baerbock forderte zudem erneut, dass die EU die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einstuft.

Baerbock hatte «schwerwiegende Folgen» angekündigt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock hatten die Hinrichtung schon am Montag scharf verurteilt. Baerbock ließ zunächst den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellen. Staatssekretärin Susanne Baumann übermittelte ihm in einem Gespräch den «scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes»

Einen iranischen Botschafter gibt es derzeit nicht in Berlin. Der bisherige Botschafter ist im Zuge eines regulären Personalwechsels ausgereist und ein Nachfolger bisher nicht eingetroffen. Nach der Tötung Sharmahds gilt es als unwahrscheinlich, dass zeitnah ein neuer Botschafter entsendet wird.

Auswärtiges Amt warnt vor Reisen in den Iran

Der deutsche Botschafter in Teheran, Markus Potzel, wurde von Baerbock zu «Konsultationen» nach Deutschland zurückbeordert. Er hat den Iran inzwischen verlassen. Wann er zurückkehrt, ist ebenfalls völlig offen.

Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen in den Iran und hat deutsche Staatsangehörige bereits aufgefordert, das Land zu verlassen. Wie viele Deutsche noch im Land sind, ist unklar. Eine niedrige dreistellige Zahl hat sich auf der Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts eingetragen.

Sharmahd kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland

Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der Landeshauptstadt Hannover jahrelang einen Computerladen betrieb. Im Jahr 2003 zog er schließlich nach Kalifornien in den USA, wo er politisch aktiv war.

In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe «Tondar» (Donner) aktiv. Die iranische Staatsführung wirft der monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen – Hinterbliebene der Toten hatten Sharmahds Exekution gefordert.

Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair. Er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als «Richter des Todes», der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.

Quelle: dpa

 

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