Die Lage im Überblick

Kiew: Ukrainische Armee unter Druck

03. November 2024 , 04:58 Uhr

Moskau meldet immer neue russische Eroberungen von Orten im Osten der Ukraine. Auch Kiew räumt ein, dass die Lage schwer ist und wendet sich erneut an die Verbündeten.

Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Olexander Syrskyj, hat die derzeitige Offensive der Russen im Donbass als eine der schwerwiegendsten seit Beginn des großangelegten Moskauer Angriffskrieges bezeichnet. Die Armee halte dem stand, aber die Lage an der Front bleibe schwierig, teilte Syrskyj nach einem Treffen mit dem tschechischen Generalstabschef Karel Rehka in seinem Telegram-Kanal mit. Die Kampfhandlungen an verschiedenen Frontabschnitten erforderten ein ständiges Auffüllen der Ressourcen der ukrainischen Verbände. Experten sprechen von einem brutalen Abnutzungskrieg mit hohen Verlusten auf beiden Seiten.

Syrskyj informierte auch über ein Gespräch mit dem US-Generalstabschef Charles Brown, mit dem er die nächsten Schritte der Militärhilfe besprochen habe. Details nannte er nicht. «Der Feind greift immer wieder an mehreren Frontabschnitten an, nutzt die Luftüberlegenheit und die weitreichende Feuerkraft und verfügt über einen erheblichen Vorteil beim Artilleriebeschuss», sagte Syrskyj. Die ukrainischen Streitkräfte müssten dringend so ausgestattet werden, dass sie weiter Angriffe abwehren könnten.

Selenskyj kritisiert Umgehung von Sanktionen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisierte einmal mehr die Umgehung der westlichen Sanktionen gegen Russland. Allein im Oktober habe Russland mehr als 2.000 Drohnen gegen die Ukraine eingesetzt, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Für eine solch hohe Zahl an Flugobjekten seien mehr als 170.000 einzelne Bauteile notwendig, die Russland nie hätten erreichen dürfen. «Sie kommen von Unternehmen in China, Europa und Amerika, lauter kleine, aber stete Beiträge zum russischen Terror», sagte er.

«Diese fortlaufende Lieferkette unterstreicht einmal mehr die dringende Notwendigkeit, dass die Welt die Ausfuhrkontrollen für spezielle Komponenten und Ressourcen verschärft», betonte Selenskyj. Die Sanktionen müssten verschärft und effektiver werden. Deren Umgehung sei ein Verbrechen gegen die Menschen und die Welt, weil es Russland auf diese Weise gelinge, auch die Regierungen im Iran und Nord Koreas zu stärken.

Polens Außenminister weist Kritik aus Kiew zurück

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski wies indes Kritik der Ukraine an ausbleibenden Kampfjet-Lieferungen aus seinem Land zurück. «Wir haben unsere eigenen Verteidigungsbedürfnisse», sagte der liberalkonservative Politiker dem Sender Polsat News. Die Ukraine müsse verstehen, dass auch Polen als «Frontstaat» den russischen Präsidenten Wladimir Putin abschrecken müsse. Zuvor hatte Selenskyj beklagt, dass Polen wieder einmal einen Grund gefunden habe, keine zusätzlichen MiG-29 Kampfjets an sein Land abzugeben. 

Nach Angaben Sikorskis hat das Kabinett in Warschau im Zusammenhang mit der militärischen Hilfe für die Ukraine einen Vorschlag für einen Verteidigungskredit eingebracht. Man hätte es von Anfang an so machen können, argumentierte Sikorski: Die Ukraine könne in polnischen Rüstungsfabriken auf Kredit kaufen und das Geld beim Wiederaufbau zurückzahlen. 

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kommentierte Sikorskis Worte mit Häme und meinte, dass die Ukraine schon jetzt den Krieg auf Pump führe, ihr Land westlichen Unternehmen überlasse und nichts mehr haben werde am Ende, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Medienberichten nach zu urteilen, dürfte der polnische Vorschlag auch in Kiew auf wenig Gegenliebe stoßen. 

Präsident Selenskyj kritisierte jüngst zudem, dass Polen keine russischen Raketen über der Ukraine abschießen wolle. In Warschau wird darauf verwiesen, dass ein solcher Schritt eine gemeinsame Nato-Entscheidung erfordere.

Die Ukraine wehrt sich seit mehr als zweieinhalb Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. Sie ist dazu maßgeblich auf Militärhilfe der westlichen Verbündeten angewiesen.

Quelle: dpa

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