Die Journalistin Ines Schwerdtner und der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken sind neue Vorsitzende der Linken. Das neue Doppelspitze wurde bei einem Bundesparteitag in Halle mit großer Mehrheit gewählt. Die beiden folgen auf Martin Schirdewan und Janine Wissler, die sich nach einer Serie von Wahlschlappen zurückziehen.
Die Partei steckt nach der Abspaltung des Flügels um die frühere Fraktionschefin Sahra Wagenknecht in einer Existenzkrise. Bundesweit liegt die Linke in Umfragen bei nur drei bis vier Prozent. Erklärtes Ziel ist der Wiedereinzug in den Bundestag 2025.
Van Aken und Schwerdtner kündigten nach ihrer Wahl an, mit Freiwilligen in den nächsten Wochen an Hunderttausenden Haustüren zu klingeln. Die Menschen sollten ihre konkreten Nöte und Wünsche schildern, ob Miete, hohe Preise oder die Schließung eines Krankenhauses. Die Antworten würden systematisch ausgewertet, sagte van Aken.
Danach werde die Linke über ihre beiden Fokusthemen für den Wahlkampf entscheiden, etwa Mietendeckel oder Bürgerversicherung. «Was es genau sein wird, werden wir in ein paar Wochen wissen», sagte van Aken.
Bei seiner Vorstellung sagte van Aken, er wolle der Mehrheit im Land eine Stimme geben und sich mit den «unanständig Reichen» anlegen. Die Linke solle wieder Hoffnung machen. «Ich habe keine Lust mehr, den Menschen zu erzählen, wie scheiße es ihnen geht», meinte van Aken. Er erhielt 88 Prozent von 542 Stimmen. Ein weitgehend unbekannter Gegenkandidat, Emanuel Schaaf, bekam 19 Stimmen.
Schwerdtner hatte für die weibliche Position in der Doppelspitze keine Gegenkandidatin. Sie erzielte 79,8 Prozent der Stimmen. In ihrer Bewerbungsrede sagte sie: «Wir sind das Gegenteil von Angst, wir sind die Hoffnung.» Nötig seien für die Linke Klarheit, Fokus und Glaubwürdigkeit. Sie wünsche sich eine Linke, die auch eine Stimme des Ostens sei.
Ines Schwerdtner wurde 1989 im sächsischen Werdau geboren und zog als Kind mit ihrer Familie nach Hamburg, wo ihre Eltern eine berufliche Zukunft suchten. «Die Trennlinie zwischen Ost und West zieht sich auch durch mein Leben», schreibt die 35-Jährige auf ihrer Webseite.
Schwerdtner studierte in Berlin Politikwissenschaften und Englisch und später im Masterstudium politische Theorie in Frankfurt am Main. Als Journalistin schrieb sie über die Linke und deren Konflikte. Irgendwann habe sie sich entschieden, selbst für die Partei aktiv zu werden statt nur über ihr etwaiges Ende zu schreiben, sagt sie.
«Ich habe keine klassische Parteikarriere hinter mir», sagte sie bei ihrer Vorstellung. Aber: «Ich bin als Sozialistin in eine sozialistische Partei gekommen.» Erst im Sommer 2023 trat sie in die Linke ein, kurz bevor sie als Kandidatin zur Europawahl nominiert wurde. Auf Listenplatz fünf verpasste sie den Einzug ins EU-Parlament.
Verbunden fühlt sich Schwerdtner der Linken nach eigenen Worten schon seit 2007, als die Berliner Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch sie auf eine Jugendreise nach Katalonien mitnahm. Wenn Lötzsch sich 2025 aus dem Bundestag zurückzieht, will Schwerdtner ihr Direktmandat im Wahlkreis Berlin-Lichtenberg verteidigen.
Jan van Aken war schon von 2009 bis 2017 im Bundestag. Der gebürtige Reinbeker vertrat den Wahlkreis Hamburg-Altona. Er war Mitglied des Auswärtigen Ausschusses und warb für Rüstungskontrolle. Nach eigenen Worten schied er aus, weil er grundsätzlich für eine Mandatsbegrenzung ist. Ob er erneut für den Bundestag kandidieren oder sogar Spitzenkandidat der Linken werden will, ist unklar. Stand heute habe er das nicht vor, sagte er.
Der 63-Jährige ist Biologe und hat nach eigenen Worten bei Greenpeace gelernt, wie man Kampagnen organisiert. Von 2004 bis 2006 war er Biowaffeninspekteur der Vereinten Nationen. Seit 2007 ist van Aken in der Linken und war zeitweise stellvertretender Bundesvorsitzender. In seiner Bewerbungsrede sprach er davon, dass er früher Messdiener gewesen sei: Was für Katholiken Nächstenliebe sei, heiße bei Linken Solidarität.
Nach seiner Zeit im Parlament arbeitete van Aken bei der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, unter anderem in Tel Aviv. Vor einigen Wochen erschien sein Buch «Worte statt Waffen», in dem er für diplomatische Lösungen für Konflikte wie in der Ukraine wirbt. Er nennt sich selbst «eine Friedenstaube mit dem Kapuzenpulli».
Während Schwerdtner eher leise auftrat, begeisterte van Aken den Parteitag mit dem Spruch: «Wir rocken die Republik und nächstes Jahr ziehen wir wieder mit großer Stärke in den Bundestag ein, und dann geht es richtig los.»
Mögliche Koalitionspartner nannten Schwerdtner und van Aken nicht. Durchsetzen könne man Dinge auch, ohne mitzuregieren, sagte van Aken und verwies auf Greenpeace-Kampagnen. «Das geht. Das ist nur eine Frage der Kraft, des Fokusses und der klaren Strategien.»
Quelle: dpa