Prorussischer Kandidat

Rumänien: Rechtsextremer geht in Stichwahl um Präsidentenamt

25. November 2024 , 17:23 Uhr

Die erste Wahlrunde in Rumänien endet mit einer großen Überraschung: Der extrem rechte Tiktok-Wahlkämpfer Calin Georgescu holt mehr Stimmen als der amtierende Regierungschef. Viele sind geschockt.

Der prorussische Rechtsextremist Calin Georgescu ist überraschend in die Stichwahl um das Amt des Staatsoberhaupts im Nato-Land Rumänien eingezogen. Der parteilose Populist war mit antiwestlichen Positionen und Kult für die rumänischen Faschisten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aufgefallen. Von seinen Konkurrenten und den klassischen Medien wurde Georgescu weitgehend ignoriert, dafür ist er sehr erfolgreich auf der Online-Plattform Tiktok unterwegs. Im ersten Wahlgang landete er vor der zweitplatzierten Kandidatin Elena Lasconi von der konservativ-liberalen Reformpartei USR. Die Entscheidung zwischen den beiden fällt nun am 8. Dezember – eine Woche nach der Parlamentswahl.

Nach ihrer Niederlage traten die Vorsitzenden der gemeinsam regierenden Parteien PSD (Sozialdemokraten) und PNL (Bürgerliche) von ihren Parteiämtern zurück. Ministerpräsident Marcel Ciolacu (PSD) kam bei der Präsidentenwahl mit 19,15 Prozent auf Platz drei, PNL-Chef Nicolae Ciuca landete mit 8,79 Prozent auf Platz fünf. Medienkommentatoren in Bukarest befürchten nun einen weiteren Erfolg von Rechtsaußen bei der Parlamentswahl, wegen der Führungsunsicherheit bei PSD und PNL.

Der östlichste EU-Mitgliedstaat Rumänien hat rund 19 Millionen Einwohner, gilt als eines der ärmsten Länder Europas und grenzt im Norden an die Ukraine, die sich seit bald drei Jahren einer russischen Invasion erwehrt.

Rechtsextremes Lager bündelt Kräfte für Stichwahl

Am Wahlabend sagte Georgescu auf einer via Facebook übertragenen Pressekonferenz, das rumänische Volk sei «zum Bewusstsein erwacht» und habe seinen Willen bekundet, «nicht weiter auf Knien, nicht weiter unter Invasion, nicht weiter erniedrigt» zu bleiben. Wirtschaftliche Unsicherheit habe zu diesem Votum geführt. «Heute Abend hat das rumänische Volk „Frieden“ gerufen», fügte Georgescu hinzu – wohl mit Blick auf Russlands Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine.

Im ersten Wahlgang erhielt der Extremist 22,94 Prozent der Stimmen und Lasconi 19,18 Prozent. Der Vorsprung Lasconis vor dem Drittplatzierten Ciolacu beträgt nur 2.742 Stimmen. Das teilte das Zentrale Wahlbüro nach Auszählung aller Stimmzettel mit. 

Der als Viertplatzierter mit 14 Prozent der Stimmen ausgeschiedene Bewerber George Simion von der rechtsextremen Parlamentspartei AUR kündigte an, Georgescu in der Stichwahl zu unterstützen. Unklar war zunächst, ob Ciolacus Partei zur Wahl von Lasconi aufrufen würde.

Erinnerungen an denkwürdiges Duell werden wach

Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000 hatte es eine ähnliche Situation gegeben: Damals standen sich in der Stichwahl der Sozialdemokrat Ion Iliescu und der Rechtsextremist Corneliu Vadim Tudor gegenüber. Die demokratischen Parteien taten sich zusammen und konnten auch dank kräftiger Unterstützung durch europäische Verbündete einen Extremisten im höchsten Staatsamt verhindern.

In Rumänien bestimmt der Präsident die Außen- und Verteidigungspolitik und ist an der Kontrolle der Geheimdienste beteiligt. Er hat mehr Macht als der deutsche Bundespräsident und weniger als das Staatsoberhaupt in Frankreich. Das Abschneiden der Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentenwahl dürfte auch die Parlamentswahl am 1. Dezember beeinflussen.

Freund Russlands und der rumänischen Faschisten

Wegen des Vorwurfs der Verherrlichung faschistischer Kriegsverbrechen ermittelt die rumänische Staatsanwaltschaft gegen Georgescu, über den Fortschritt dieser Untersuchungen ist laut rumänischen Medien aber nichts bekannt. Ebenso wie die als «Legionäre» bekannten rumänischen Faschisten rühmt Georgescu häufig die orthodoxe Kirche und benutzt Bibelzitate. Er war früher Mitglied der extrem rechten Parlamentspartei AUR, trat aber im Streit aus. 

Der 62-jährige Agrarwissenschaftler und Tiermediziner hatte vor allem auf Tiktok für sich geworben. Kommentatoren in Bukarest meinten am Wahlabend, klassische Medien und etablierte Politiker müssten sich vorwerfen lassen, Georgescus politische Propaganda in sozialen Medien bisher nicht genügend beachtet zu haben. Auch Meinungsforscher hatten seinen Erfolg nicht kommen sehen, selbst Nachwahlbefragungen am Wahlabend ließen das Ergebnis nicht erahnen.

Quelle: dpa

 

Das könnte Dich auch interessieren

06.12.2024 Gericht: Präsidentenwahl in Rumänien muss wiederholt werden Das Verfassungsgericht in Rumänien hat entschieden, dass die Präsidentenwahl wiederholt werden muss. Welche Rolle der Rechtsextremist Georgescu dabei spielen wird, ist unklar. 02.12.2024 Verfassungsgericht in Rumänien erkennt Präsidentenwahl an Die Stichwahl um das Präsidentenamt in Rumänien kann planmäßig am 8. Dezember stattfinden. Das Verfassungsgericht hat einen Anfechtungsantrag gegen die erste Runde der Wahl abgewiesen. 01.12.2024 Rumänien: Rückt Extremist das Parlament nach rechtsaußen? Der Rechtsextremist Georgescu kam in der ersten Runde der Präsidentenwahl auf Platz eins und könnte die Stichwahl gewinnen. Davor steht nun noch die Parlamentswahl an - die er wohl auch beeinflusst. 27.11.2024 Rumänien: Gericht prüft Anfechtung der Präsidentenwahl Kann die Justiz die Wahl des rechtsextremen Putin-Freunds Georgescu zum Staatschef verhindern? Die Argumente dafür: Der Kandidat habe seine Finanzierung verschwiegen und Geld aus dem Ausland bekommen.