Die Automobilkrise in Deutschland fordert neue Opfer: Nach den düsteren Spar-Ankündigungen von Volkswagen und anderen Unternehmen der Branche kündigt nun auch der Zulieferer Schaeffler massive Personaleinschnitte an – obwohl es dem stark von der Eigentümerfamilie geprägten Unternehmen vergleichsweise gut geht. «Wenn man strukturelle Anpassungen verschleppt – das sieht man bei anderen - ist man später gezwungen, radikale Maßnahmen zu ergreifen», sagt Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld der Deutschen Presse-Agentur.
Schaeffler kündigte den Abbau von 4.700 Arbeitsplätzen in Europa an, davon 2.800 in Deutschland. Das entspreche rund 3,1 Prozent des gesamten Personalbestandes. Allerdings werden auch einige Stellen innerhalb Europas oder ins nicht europäische Ausland verlagert, sodass Schaeffler von einem Nettoabbau im Volumen von 3.700 Stellen spricht. Die Arbeitnehmervertreter reagieren verärgert und fordern, Alternativen auszuloten. Vorstandschef Rosenfeld sagt: Es gibt keine Alternativen.
Hinter den Plänen stehen drei Hauptgründe: Das Geschäft mit Lagern etwa für Windräder lahmt – wegen der Konkurrenz aus China. «Im Windbereich greifen die Chinesen an», sagt Rosenfeld. Die Transformation der Autobranche hin zur E-Mobilität geht langsamer vonstatten als geplant. «Der Abbau von rund 600 Stellen geht auf Kostensynergien aus der Fusion mit Vitesco zurück», sagt Rosenfeld. Schaeffler hatte erst vor wenigen Wochen den Elektroantriebs-Spezialisten aus Regensburg geschluckt und war damit zu einem der weltweit zehn größten Unternehmen der Zulieferbranche mit insgesamt rund 120.000 Mitarbeitern aufgestiegen.
Betroffen von dem Abbau seien zehn Standorte in Deutschland und fünf weitere in Europa, teilt das Unternehmen am Firmensitz im fränkischen Herzogenaurach mit. Zwei der fünf europäischen Standorte sollen ganz geschlossen werden. In Deutschland seien vor allem die großen Standorte Herzogenaurach, Schweinfurt, Regensburg und Homburg (Saar) betroffen. Allein in Schweinfurt, wo ein Werk in ein anderes aufgehen soll, könnten nach Angaben des Betriebsrates – zusammen mit bereits vorher angekündigten aber noch nicht umgesetzten Maßnahmen – rund 700 Stellen wegfallen. Ein Werk in China soll ganz wegfallen, der Standort Hameln könnte bald verkauft werden.
Das Maßnahmenpaket werde in den Jahren 2025 bis 2027 umgesetzt. Ab 2029 sollen so 290 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden. 75 Millionen Euro davon stünden im Zusammenhang mit der Fusion mit Vitesco. Rosenfeld hatte schon vor Wochen öffentlich darüber spekuliert, ob das Unternehmen etwa noch zwei Hauptquartiere benötige – Vitesco hatte seinen Sitz in Regensburg.
«Das Programm ist in der aktuellen Umfeldlage notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schaeffler-Gruppe langfristig zu sichern. Wir werden es sozialverträglich und mit Augenmaß umsetzen», sagte Rosenfeld. Die «aktuelle Umfeldlage» in der Automobilbranche bringt beinahe täglich Hiobsbotschaften – die Krise bei Volkswagen ist die prominenteste davon. Aber auch Zulieferer wie ZF Friedrichshafen, Continental oder Brose denken über Personalabbau noch. Zuletzt hatte der französische Reifenhersteller Michelin die Schließung zweier Werke in Frankreich angekündigt, in Deutschland wurde schon vor einigen Monaten das Aus für mehrere Standorte bekanntgegeben.
In den ersten neun Monaten ging es Schaeffler – noch ohne Vitesco – wirtschaftlich vergleichsweise gut. Die Umsätze stiegen währungsbereinigt um ein Prozent auf 12,233 Milliarden Euro. Auch in der Autosparte ging es währungsbereinigt um 0,2 Prozent nach oben – vor allem wegen weiterer Auftragseingänge in der E-Mobilität. Vor Sondereffekten, Zinsen und Steuern stand ein Gewinn von 713 Millionen für die ersten neun Monate zu Buche, nach 964 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.
Rosenfeld sieht sein Unternehmen auch deshalb eigentlich in der Spur. Die Doppelstrategie, sowohl auf Kompenenten für Verbrenner-Motoren als auch auf E-Mobilität zu setzen, habe sich als richtig erwiesen. Bei den Aufträgen für E-Antriebe liege man mit einem Volumen von 4,4 Milliarden Euro sogar über Plan. 2024 war wegen der Fusion mit Vitesco ohnehin von vornherein zum Übergangsjahr ernannt worden. «Ich gehe nicht davon aus, dass 2025 besser wird», sagt Rosenfeld.
Quelle: dpa