Mit dem heute in Kraft getretenen Selbstbestimmungsgesetz können Menschen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen einfacher ändern lassen. Dafür braucht es nur noch eine Erklärung beim Standesamt. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten:
Im Fokus stehen laut Familienministerium drei Gruppen: Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Transgeschlechtliche Menschen – auch als Transmenschen oder Transpersonen bekannt – identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Viele von ihnen leben mit dem Gefühl, im «falschen Körper» zu sein.
Etwas anders ist es bei intergeschlechtlichen Personen: Sie haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen. Das kann neben den Geschlechtsmerkmalen auch den Chromosomensatz oder die Hormonproduktion betreffen. Als nicht-binär bezeichnet man Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.
Vor dem Selbstbestimmungsgesetz galt das Transsexuellengesetz, das 1981 in Kraft getreten war. Betroffene mussten eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss über sich ergehen lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen ändern lassen wollten. Bis 2011 mussten sich transgeschlechtliche Menschen dafür sogar noch sterilisieren lassen. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz werde «staatliches Unrecht» beseitigt, heißt es im Gesetzestext.
Wer seinen Geschlechtseintrag ändern lassen will, muss dies drei Monate im Voraus anmelden. Der frühestmögliche Termin für die Anmeldung von Änderungen war der 1. August dieses Jahres. Die dreimonatige Wartefrist dient dem Familienministerium zufolge auch als Bedenkzeit für die Person. Und: Der Geschlechts- und Vornamenseintrag kann frühestens nach zwölf Monaten erneut geändert werden.
Nach Ablauf der drei Monate kann bei einem Termin im Standesamt der neue Geschlechtseintrag im Personenstandsregister geändert werden. Zur Wahl stehen männlich, weiblich, divers oder auch der Verzicht auf einen Geschlechtseintrag. Dafür ist weder eine gerichtliche Entscheidung noch ein ärztliches Attest nötig. Für Eingriffe wie geschlechtsangleichende Maßnahmen trifft das Gesetz keine Regelungen.
Da der 1. November in einigen Bundesländern ein Feiertag ist und darauf ein Wochenende folgt, verschiebt sich das Startdatum für die ersten Termine in manchen Standesämtern.
Wichtig ist: Der Vorname muss zum neuen Eintrag passen. Das heißt, dass er dem Geschlechtseintrag entsprechen muss. Wer also beispielsweise den Eintrag «männlich» wählt, kann als Namen nicht Bettina oder Julia eintragen lassen. Eine separate Änderung des Vornamens ohne Änderung des Geschlechtseintrags ist auf Basis des Selbstbestimmungsgesetzes nicht möglich. Bei der Angabe «divers» oder dem Verzicht auf einen Eintrag besteht eine freiere Wahl.
Sobald der Geschlechtseintrag und Vorname geändert wurde, sind Personalausweis und Reisepass ungültig. Zumindest der Personalausweis muss daher unverzüglich neu beantragt werden. Gleiches gilt für einen Reisepass, sofern er benötigt wird. In diesem ist neben dem neuen Vornamen auch ein Geschlechtseintrag zu finden, wer nicht als männlich oder weiblich gemeldet ist, erhält an dieser Stelle ein «X».
Aktuell werde von rund 4.000 Anträgen pro Jahr ausgegangen, schreibt das Familienministerium. Anfangs könnten die Zahlen höher ausfallen, da viele Menschen auf das Inkrafttreten des Gesetzes gewartet hätten. Generell fehle es an verlässlichen Erhebungen. Die letzten verfügbaren Daten dazu stammen aus dem Jahr 2021, in dem es laut Bundesjustizamt 3232 Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags gab.
Minderjährige unter 14 Jahren dürfen den Antrag nicht selbst stellen. Auf Wunsch des Kindes können das die Eltern oder andere Sorgeberechtigte übernehmen. Minderjährige, die älter als 14 sind, dürfen den Antrag selbst stellen. Allerdings brauchen sie ein Einverständnis der Eltern oder Sorgeberechtigten. Minderjährige ab 14 Jahren müssen zudem erklären, dass sie sich umfassend informiert haben. Nach Angaben des Ministeriums besteht keine Beratungspflicht, es muss auch kein Schein vorgelegt werden.
Sollten die Eltern oder Sorgeberechtigten ihr Einverständnis nicht erteilen, kann ein Familiengericht eingeschaltet werden. Das soll dann im Interesse des Kindeswohls entscheiden.
Ein Passus zum sogenannten Offenbarungsverbot soll Menschen mit einem geänderten Geschlechtseintrag vor einem unfreiwilligen Outing schützen. Dritte dürfen demnach nicht ohne Erlaubnis die frühere Identität oder den früheren Namen verbreiten.
Für enge Angehörige gibt es Sonderregeln. Nur in offiziellem Schriftverkehr etwa mit Ämtern müssen diese sich zwingend auf den geänderten Namen und Geschlechtseintrag beziehen. Für sie gilt die Vorgabe des Offenbarungsverbots ansonsten nicht – es sei denn, sie handeln «in Schädigungsabsicht», wie es im Gesetz heißt. Dann droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro. Eltern dürfen im privaten Rahmen beispielsweise den früheren Namen ihres Kindes erwähnen – ohne dass sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.
Auch bei besonderen Gründen eines öffentlichen oder rechtlichen Interesses gibt es Ausnahmen vom Offenbarungsverbot.
Immer wieder gab es Kritik am Selbstbestimmungsgesetz. Dabei ging es auch um die Frage, ob sich Gefahren für Frauen ergeben könnten, wenn Menschen ihren Geschlechtseintrag auf «weiblich» ändern und somit etwa Zutritt zu Frauensaunen erhalten könnten. Dem setzte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, bereits im vergangenen Jahr entgegen: «Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen.»
Im Gesetz heißt es, dass das private Hausrecht unberührt bleibe. Das bedeutet, dass der Inhaber das Recht hat, darüber zu bestimmen, wer beispielsweise seine Wohnung oder Geschäftsräume betritt. Das ebenfalls unberührte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt jedoch transgeschlechtliche Personen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, was bedeutet, dass sie nicht aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt werden dürfen.
Quelle: dpa