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Vor erwarteter Kursk-Offensive: Ukraine fordert freie Hand

12. November 2024 , 05:00 Uhr

Experten erwarten eine baldige Gegenoffensive russischer Truppen bei Kursk. Aus den USA kommen schlechte Nachrichten für Kiew: Trump macht einen scharfen Kritiker der US-Hilfen zum Sicherheitsberater.

Vor der erwarteten Gegenoffensive Russlands im russischen Grenzgebiet bei Kursk fordert die Ukraine einen Kurswechsel ihrer Unterstützer. Die USA, Großbritannien und Deutschland müssten den Einsatz der von ihnen zur Verfügung gestellten Langstreckenwaffen gegen Ziele tief in russischem Gebiet erlauben, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Telegram «Das ist unerlässlich. Je weiter unsere Raketen und Drohnen einschlagen können, desto weniger reale Kampffähigkeit wird Russland haben.» 

Zweieinhalb Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs hatte die Ukraine im August ihre überraschende Offensive auf Kursk begonnen. Zwar konnte Russland seither einige Siedlungen zurückerobern, die Frontlinie hat sich zuletzt aber nur wenig verändert. Wegen der fehlenden Erlaubnis ihrer westlichen Verbündeten setzt die Ukraine bisher lediglich Kampfdrohnen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet ein.

US-Medienberichten zufolge hat Russland im Frontgebiet Zehntausende Soldaten zusammengezogen, darunter kürzlich eingetroffene Truppen aus Nordkorea. Mit ihnen solle in den kommenden Tagen bei Kursk eine Gegenoffensive gestartet werden. Selenskyj hatte bereits vor wenigen Tagen gesagt, dass einige der 11.000 nordkoreanischen Soldaten im russischen Grenzgebiet Kursk in Kämpfe mit der ukrainischen Armee verwickelt seien.

Ukraine: 50.000 russische Soldaten bei Kursk gebunden

Die Ukraine bindet durch den Vorstoß ihrer Truppen bei Kursk nach Angaben Selenskyjs rund 50.000 russische Soldaten im dortigen Frontgebiet. Diese könnten nicht an anderen Frontstellungen der Russen auf ukrainischem Gebiet eingesetzt werden. Die Angriffe auf russische Waffenlager hätten auch Artilleriebestände der Besatzer verringert, das mache sich im Kampfgebiet bemerkbar. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Trump macht Kritiker der Ukraine-Hilfen zu Sicherheitsberater

Immer deutlicher wird derweil, dass sich die Ukraine nach dem Regierungswechsel in den USA auf eine drastische Reduzierung oder gar ein Ende der Hilfe ihres größten Unterstützers gefasst machen muss. Der designierte US-Präsident Donald Trump ließ diese Möglichkeit schon im Wahlkampf durchklingen – und will Medienberichten zufolge nun den wichtigen Posten des Nationalen Sicherheitsberaters mit dem republikanischen Abgeordneten Mike Waltz besetzen. Waltz forderte bereits ein Umdenken bei der US-Unterstützung der Ukraine im russischen Angriffskrieg.

Im vergangenen Jahr schrieb er in einem Meinungsbeitrag bei Fox News mit Blick auf die republikanische Mehrheit im Abgeordnetenhaus: «Die Ära der Blankoschecks für die Ukraine vom Kongress ist vorbei.» Er argumentierte unter anderem, dass die europäischen Länder einen noch größeren Beitrag leisten müssten. Zugleich meinte Waltz, die USA hätten gegen Russland das Druckmittel, die Einschränkungen für den Einsatz der an die Ukraine gelieferten amerikanischen Waffen aufzuheben.

Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, er werde den Krieg in der Ukraine rasch beenden. Wie er das erreichen will, sagte er bisher nicht. Der scheidende US-Präsident Joe Biden und die ukrainische Staatsführung befürchten, dass unter Trump die US-Militärhilfe an die Ukraine versiegen könnte, dank der die Verteidiger großflächigere Eroberungen der russischen Invasoren verhindern konnten. 

Borrell: «Ukraine ist Teil der europäischen Familie»

Derweil sicherte EU-Chefdiplomat Josep Borrell bei einem Besuch in Kiew weitere Unterstützung für das angegriffene Land zu. «Wir müssen weiterhin fest an der Seite der Ukraine stehen. Bis sie sich durchsetzt», schrieb er auf der Plattform X. «Die Ukraine ist Teil der europäischen Familie.» Er habe Selenskyj bei einem Treffen zugesagt, dass das Ziel der Lieferung von einer Million Artilleriegeschosse bis Ende des Jahres erreicht werde.
 

Ukraine im Osten unter schwerem Druck

Derweil wächst der Druck auf die Ukraine auf dem Schlachtfeld: Wegen der vorrückenden russischen Truppen wurde im ostukrainischen Gebiet Charkiw die Zwangsevakuierung von zehn weiteren Ortschaften angeordnet. «Der Feind beschießt dort ständig unsere zivilen Siedlungen», begründete Gouverneur Oleh Synjehubow die Maßnahme im ukrainischen Fernsehen. Seit 10. September seien gut 6.500 Menschen evakuiert worden, sagte er.

Das Gebiet war im Herbst 2022 im Zuge einer ukrainischen Gegenoffensive nach gut fünf Monaten Besatzung befreit worden. In den vergangenen Wochen gerieten die ukrainischen Truppen auch aufgrund des verstärkten Einsatzes russischer Gleitbomben in der Region immer stärker unter Druck.

Bei Kurachowe im Osten der Ukraine droht den Verteidigern nach Angaben des regierungsnahen ukrainischen Militärkanals «Deep State» eine Katastrophe. Die Stadt sei bereits von drei Seiten eingeschlossen. Inzwischen versuchten die russischen Einheiten, das dort postierte ukrainische Militär von der Versorgung abzuschneiden und einzukesseln, teilten die Militärexperten mit. Die Lage der ukrainischen Truppen im Donezker Gebiet verschlechtert sich seit Anfang August rapide. 

Russische Truppen führten im Osten der Ukraine im Tagesverlauf 125 Angriffe auf die ukrainischen Verteidigungslinien, wie der Generalstab in Kiew in seinem abendlichen Lagebericht mitteilte. Aus der Region Kurachowe seien 21 russische Attacken gemeldet worden. Bei Pokrowsk habe es 14 Kämpfe «unterschiedlicher Intensität» gegeben. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Ukraine baut Drohnenabwehr aus

Um den eigenen Luftraum besser gegen russische Angriffe zu schützen, habe die ukrainische Militärführung beschlossen, unter anderem die bereits vorhandenen mobilen Trupps zur Bekämpfung von Drohnen zu verstärken, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. In einer Reihe von ukrainischen Städten wurde am späten Montagabend wegen neuer russischer Drohnenschwärme Luftalarm ausgelöst.

Quelle: dpa

 

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